Anfrage zum Versammlungsrecht bez. Verbot von Parolen in bestimmten Sprachen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
am Sonntag, 29.10.2023, fand am Kornmarkt eine Versammlung für einen Waffenstillstand in Palästina statt. Nach Informationen der Linken Liste hatte das Ordnungsamt der Stadt Nürnberg eine Beschränkung nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verfügt, wonach Parolen nicht in arabischer Sprache kundgegeben werden dürften. Vergleichbare Beschränkungen wurden in der Vergangenheit auch schon mehrfach gegen Versammlungen mit Bezug zur Situation in den kurdischen Gebieten verfügt.
Menschen, deren Muttersprache von einem solchen Verbot betroffen ist, wird damit faktisch jede Möglichkeit genommen, ihre Meinung auf einer solchen Versammlung kund zu tun. Dass die Betroffenen über hinreichende Kenntnisse in der deutschen Sprache verfügen, um ihrem politischen Anliegen in dieser Ausdruck zu verleihen, kann die Stadt Nürnberg nicht voraussetzen, wenn sie ein solches Verbot verfügt.
Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelten für alle Menschen, unabhängig davon welche Sprachen sie sprechen, vgl. nur Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 19 IPbpR, Art. 10 EMRK; Art. 21 IPbpR, Art. 11 EMRK. Es handelt sich um Grund- und Menschenrechte, die dem einzelnen Individuum, einen Rechtsanspruch verschaffen. Etwaige Eingriffe müssen daher auch gegenüber jedem einzelnen Betroffenen gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig sein. Wie eine versammlungsrechtliche Beschränkung, die sich für einzelne Betroffene als Totalverbot, ihre Meinung auf der Versammlung kund zu tun, auswirkt, diesen Betroffenen gegenüber verhältnismäßig sein soll, erschließt sich der Linken Liste nicht.
Darüber hinaus stellt eine solche Regelung auch eine Diskriminierung anhand der Sprache dar. Eine solche Diskriminierung nach der Sprache ist nicht „nur“ rassistisch, sondern gleichfalls nach nationalem Verfassungsrecht und internationalen Menschenrechtsabkommen verboten, vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 26 IPbpR, Art. 14 EMRK.
Daher stellt die LINKE LISTE folgende Anfragen:
- Ist es zutreffend, dass das Ordnungsamt gegen mindestsens diese Versammlung ein Verbot, Parolen in arabischer Sprache zu äußern, verfügt hat?
- Ist dieses Verbot auf Vorschlag/Anregung der Polizei verfügt worden? Falls ja, hat das Ordnungsamt darüber hinaus zusätzliche, eigene Erwägungen angestellt? Welche?
- Auf welche konkrete Gefahrenprognose stützte sich das Verbot und auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte stützte sich wiederum diese Gefahrenprognose selbst?
- Wie beurteilte das Ordnungsamt die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Verbots im Hinblick auf den Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit insbesondere von Menschen, deren Muttersprache von dem Verbot betroffen ist? Wie beurteilte es die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Verbots im Hinblick auf die damit bewirkte Diskriminierung anhand der Sprache?
- Welche Ausführungen finden sich in Bezug auf 3. und 4. jeweils in der schriftlichen Begründung des versammlungsrechtlichen Auflagenbescheids? Ich bitte um (erforderlichenfalls anonymisierte) wörtliche Wiedergabe der entsprechenden Passagen.
- Seit wann werden derartige Verbote, auf Versammlungen Parolen in bestimmten Sprachen zu äußern, durch das Ordnungsamt verfügt und wie kam es zur Einführung dieser Art von Verboten für bestimmte Versammlungen?
- Welche Sprachen waren bisher betroffen und anlässlich welcher Versammlungs-themen wurden die entsprechenden Verbote bisher verfügt?
- Wurde die rechtliche Zulässigkeit derartiger Verbote vorab mit dem Rechtsamt erörtert? Ich bitte, ggf. die Stellungnahme des Rechtsamts Ihrer Antwort beizufügen.