Stadtratsantrag: Bundeswehr an Schulen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Bundeswehr bietet Lehrer*innen an, in einem, meist 90minütigen Unterricht, Vorträge zum Thema Sicherheitspolitik vor Schulklassen zu halten. Dazu hat sie bundesweit ca. 600 hauptamtliche Jugendoffizier*innen und Karriereberater*innen beschäftigt. Das neue Wehrdienst-Gesetz wird die „Beratungs“-Aktivitäten der Bundeswehr an Schulen massiv verstärken.

Grundsätzliche bildungspolitische Erwägungen gebieten es, Fragen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, auch im Schulunterricht als kontrovers darzustellen. Die von der Ampel verkündete „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands ist gesellschaftlich umstritten.

Das Gesetz für die Politische Bildung an bayerischen Schulen des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sieht ausdrücklich vor, „…. im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen“ (Art. 131 Abs. 3).

Jugendoffizier*innen sind keine unabhängigen Expert*innen. Sie sind vielmehr verpflichtet (wie etwa im „Handbuch der Jugendoffiziere“ festgehalten), einseitig die Positionen des Bundesministeriums der Verteidigung wiederzugeben. Diese Einseitigkeit in der Darstellung gilt nicht nur hinsichtlich der Existenz der Bundeswehr an sich, sondern auch hinsichtlich ihrer Auslandseinsätze. Die parteiische Darstellung dieser gesellschaftlich umstrittenen Einsätze durch Vertreter*innen des Militärs widerspricht damit der gebotenen schulischen Neutralität.

Kontroverse Meinungen in der Politik sollen differenziert dargestellt (Kontroversitätsgebot) und die Schüler*innen befähigt werden, in politischen Situationen eigene Interessen zu vertreten.

So begrüßenswert es ist, Jugendliche für politische Fragen zu interessieren, so unpassend ist es, dies auf eine einseitige parteiische Art zu tun. Schulen dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, dem Eigeninteresse der Bundeswehr, durch das Einwirken auf Schutzbefohlene Akzeptanz für militärische Einsätze zu schaffen, nachzukommen.

Dies gilt auch für den Einsatz von Karriereberater*innen, die im Unterschied zu Jugendoffizier*innen nicht die sicherheitspolitischen Positionen der Bundesregierung darlegen, sondern den Jugendlichen einen „Job“ bei der Bundeswehr schmackhaft machen sollen.

Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere. Berichte aus der Friedensbewegung zeigen, dass bei der Vorstellung des „Arbeitgebers“ Bundeswehr über die Risiken und Nebenwirkungen des Soldat*inseins nicht realistisch informiert wird. Weder über das Risiko, im Einsatz verletzt oder getötet zu werden, noch andere Menschen zu verletzen oder gar zu töten, wird angemessen informiert.

Schulen sollen weder Rekrutierungsstätten der Bundeswehr, noch Orte der militärischen Propaganda, sondern Orte der Bildung sein. Hierzu gehört auch die ungeschönte Klarstellung der militärischen Nebeneffekte wie kriegsbedingte psychische Traumata und körperliche Versehrtheit.

Deshalb hat Baden-Württemberg 2014 untersagt, dass Jugendoffizier*innen der Bundeswehr im Unterricht für Tätigkeiten in der Bundeswehr werben. Des Weiteren müssen Referendar*innen nicht gegen ihren Willen an den Veranstaltungen teilnehmen.

Jugendliche, die ein Interesse an der Bundeswehr haben, stehen vielfältige Möglichkeiten offen, sich näher zu informieren.

Der Schulausschuss des Nürnberger Stadtrates hatte am 23.7.2010 auf Initiative der Linken Liste Nürnberg beschlossen, dass bei Bundeswehrbesuchen das Schulforum durch die Schulleitungen informiert werden muss. Unsere Recherche hat jedoch ergeben, dass dieser Beschluss nicht mehr umgesetzt wird.

Deshalb stellt die LINKE LISTE folgenden Stadtratsantrag:

  1. Die Stadt Nürnberg appelliert an die Nürnberger Schulleitungen und Lehrer*innen, keine Jugendoffizier*innen und Karriereberater*innen der Bundeswehr zu Informations- und Werbezwecken in die Schulen einzuladen.
  2. Sollten dennoch solche Einladungen erfolgen, erfolgt das unter folgenden Bedingungen:
  3. das Schulforum wird darüber informiert (Stadtratsbeschluss 23.7.2010).
  4. Um einen Diskurs zu ermöglichen, werden Vertreter*innen der Friedensbewegung, z. B. das Nürnberger Friedensforum, dazu eingeladen.
  5. Schüler*innen können einen Antrag auf Entbindung der Anwesenheitspflicht stellen und an einen Ersatzunterricht teilnehmen.
  6. Die Verwaltung berichtet, wie viele Veranstaltungen mit Jugendoffizier*innen und Karriereberater*innen an Nürnberger Schulen in den Jahren 2023 und 2024 durchgeführt wurden. Weiterhin legt die Verwaltung dar, an welchen Schulen solche Veranstaltungen für das neue Schuljahr 2024/25 geplant sind.
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